Wenn eine Stadt zu einem Großteil aus grauem Granitstein besteht, ist das nicht unbedingt etwas Besonderes. Anders aber bei Aberdeen in Schottland, das in der Sonne glitzert. Aberdeen überrascht mit mittelalterlichem Erbe und Blumenanlagen.
Überblick
Die Stadt Aberdeen im Nordosten Schottlands, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Stadt im US-Bundesstaat Washington, blickt auf eine mehr als 1.500 Jahre dauernde Geschichte zurück. Entsprechend geschichtsträchtig präsentiert sich auch das Stadtbild. Eine prachtvolle Kathedrale und andere Gebäude aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit machen Aberdeen zu einem lohnenden Ziel für alle historisch Interessierten. Heute ist Aberdeen aber auch eine wichtige Universitätsstadt. Nicht zuletzt erfreut das raue Umland alle Naturliebhaber und selbstverständlich kommen auch Whiskyfreunde im schottischen Osten auf ihre Kosten.
Geschichte
Laut einiger archäologischer Funde wurde das Gebiet um das heutige Aberdeen schon vor 8.000 Jahren besiedelt. Erst für den Beginn des Mittelalters sind Hinweise auf die Gründung der Stadt bekannt, als der Mönch St. Machar hier eine Kapelle schuf. Die heutige St. Machar’s Kathedrale geht auf ihn zurück.
Im Mittelalter war Aberdeen als Fischerei- und Handelsplatz wichtig und zudem Streitpunkt zwischen den Schotten und den Engländern im Rahmen ihrer jahrhundertelangen Auseinandersetzungen. Durch die endgültige Angliederung Schottlands an Großbritannien wurde auch Aberdeen britisch und ist es bis heute.
In der Industrialisierung wuchs Aberdeen zu einem bedeutenden Seehafen mit guter Eisenbahnverbindung heran. Ab 1969 erfolgte ein weiterer Boom, als man das erste Ölfeld entdeckte. Heute gibt es vor Aberdeen mehr als 120 Öl- und Gasfelder.
Sehenswürdigkeiten
Die bekanntesten Sehenswürdigkeiten Aberdeens stammen aus dem Mittelalter oder der Frühen Neuzeit, darunter drei prächtige Kathedralen sowie wichtige Brücken über die Flüsse Don und Dee. Etwas jünger, aber nicht minder sehenswert sind das Marischal College sowie der wunderschöne Duthie Park.
St. Machar’s Cathedral
Vor rund 1.500 Jahren kam ein irischer Mönch namens Machar in die Gegend von Aberdeen und begann, die piktischen Bewohner zum christlichen Glauben zu bekehren. Er gründete eine kleine Kapelle, die sich mit der Zeit zur beeindruckenden Kathedrale der Church of Scotland mauserte. Ihr findet die St. Machar’s Cathedral in der nördlichen Altstadt. Überdies verfügt Aberdeen noch über zwei weitere Kathedralen. Die Cathedral of St. Mary of the Assumption wurde 1860 errichtet und ist Sitz des römisch-katholischen Bistums Aberdeen. Die St. Andrew’s Cathedral ist nur ein wenig älter und dient der Scottish Episcopal Church als wichtigstes Gotteshaus der Stadt.
Brig o’Balgownie und Brig o‘Dee
Aberdeen liegt an den Mündungen von gleich zwei Flüssen, die in die Nordsee münden. Im Norden befindet sich der Don, im Süden der Dee. Beide Flüsse dienten als eine Art natürliches Hindernis für mögliche Einfälle aus diesen beiden Himmelsrichtungen. Brücken über die Flüsse Dee und Don hatten also schon immer eine große Bedeutung. Die älteste Brücke über den Don ist die Brig o’Balgownie etwas nördlich von St. Machar’s. Sie wurde 1320 von Robert the Bruce errichtet, der die Schotten im 14. Jahrhundert im Unabhängigkeitskampf gegen England anführte. Nicht ganz so alt, aber ebenso sehenswert ist die Brig o’Dee über den Dee. Sie wurde ab 1520 im Auftrag eines Bischoffs erbaut.
Marischal College
Der Konkurrenzkampf zwischen der katholischen Kirche und der protestantischen Gegenbewegung im 16. Jahrhundert lässt sich vielerorts in Großbritannien im Stadtbild ablesen – so auch in Aberdeen. Als Gegengewicht zum katholischen King’s College in der Altstadt entstand im Stadtteil Castlegate 1593 das Marischal College. Die heutige Anlage wurde allerdings erst in den 1830ern gebaut. Nach dem Escorial nahe Madrid ist das Marischal College das zweitgrößte Granitgebäude der Welt. Im Inneren befindet sich ein Museum mit Exponaten zur schottischen Geschichte, aber auch mit anthropologischen Sammlungen aus Ägypten, Nigeria, Papua-Neuguinea, Hawaii oder Tibet.
Tolbooth Gefängnis
Ebenfalls in Castlegate findet ihr das Tolbooth House. Es handelt sich dabei nicht nur um eines der ältesten Gebäude Aberdeens, sondern auch um eines der am besten erhaltenen ehemaligen Gefängnisse der Welt. Es wurde 1629 fertiggestellt und dient heute als Museum zur Kriminalgeschichte. Ihr habt ein Faible für das Übernatürliche? Dann müsst ihr unbedingt zum Tolbooth House. Angeblich ist es das Gebäude, das in Aberdeen am meisten von paranormalen Aktivitäten betroffen ist.
Duthie Park
Aberdeen hat bereits mehrmals den gesamtbritischen Wettbewerb „Britain in Bloom“ gewonnen und wird daher auch „Flower City“ genannt. Die Bürger sind zu Recht stolz auf ihre Grünflächen und Gartenarrangements. Vor allem der weitläufige Duthie Park am Nordufer des Dee sticht dabei heraus. Gerade für Familien ist der Duthie Park ideal. Es gibt Spielplätze, einen Bootsteich, auf dem man paddeln kann sowie einen japanischen Garten. Sehr bekannt sind zudem die Wintergärten des Parks. Sie beinhalten Farne, Bananenpalmen und Ananasgewächse sowie eine der größten Kakteensammlungen Großbritanniens.
Aktivitäten
Aberdeen selbst, aber auch die nähere Umgebung bietet viele Möglichkeiten, den Urlaub abwechslungsreich zu gestalten. Kulturinteressierte gehen in eines der vielen Museen oder besuchen eine der Burgruinen der Gegend. Naturfreunde erkunden die raue Küstenlandschaft und genehmigen sich danach einen regionaltypischen Whisky.
Old Aberdeen erkunden
Die mit Kopfsteinpflaster versehene Altstadt am Ufer des Don stellt das mittelalterliche Vermächtnis Aberdeens dar. Hier befinden sich St. Machar’s und die Kapelle des King’s College sowie zahlreiche andere Bauten aus der Zeit der Ritter und Könige. Wer eine Reise durch die Geschichte der Stadt machen möchte, muss also nur einen Spaziergang durch Old Aberdeen machen. Heute wie damals befindet sich das Gelände der örtlichen Universität im Stadtteil. Das macht Old Aberdeen zu einem angesagten Treffpunkt für viele Studenten, die hier wohnen und lernen. Außerdem findet ihr hier viele verschiedene Bars und Pubs für entspannte Abendstunden.
Ins Meeresmuseum gehen
Wer nach der Tour durch die Stadt noch Elan hat, sollte einen Abstecher ins Aberdeen Maritime Museum in der Nähe des Hafens machen. Dort gibt es viele interessante Exponate zur Geschichte der Seefahrt und der Fischerei, die sich teilweise im aufwändig restaurierten Provost Ross House von 1593 befinden. Das Glanzstück des Meeresmuseums befindet sich allerdings im verglasten Lichthof des modernen Gebäudeteils. Es handelt sich dabei um ein detailgetreues Model einer Ölbohrplattform. Im Museum selbst gibt es Ausstellungen zur Öl- und Gasförderung in der Nordsee.
Aberdeenshire erkunden
Wenn ihr genug von Aberdeen habt, dann macht euch auf ins Hinterland oder erkundet die Strände und Klippen von Aberdeenshire, die sich auf über 250 Kilometer Küstenlinie erstrecken. Wenn ihr mögt, könnt ihr die felsigen Klippen, kleinen Buchten und charmanten Fischerdörfer der Gegend auch vom Wasser aus erleben. Leiht euch ein Kajak und erlebt die wunderbare schottische Landschaft von der Seeseite aus. Mit etwas Glück beobachtet ihr dabei sogar Schildkröten oder Robben.
Whisky trinken
Was wäre ein Urlaub in Schottland ohne ein Gläschen Whisky am Abend? Die zahlreichen Pubs der Innenstadt geben euch reichlich Gelegenheit, die örtlichen Kostbarkeiten zu probieren. Kenner gehen am besten direkt in eine ausgewiesene Whisky Bar mit einem umfangreichen Angebot. Echte Whiskyliebhaber sollten sich die Möglichkeit nicht entgehen lassen, dem sogenannten Whisky Trail zu folgen. In Aberdeenshire liegen nämlich rund die Hälfte aller schottischen Malzbrennereien. Entlang der 112 Kilometer langen Route besucht ihr sieben teils weltbekannte Brennereien und erlebt hautnah, wie Whisky entsteht.
Ausflug zum Craigievar Castle
In Aberdeenshire gibt es mehr als 300 alte Burgen, Burgruinen und Herrenhäuser – für entsprechend Interessierte sicher mehr als genug für einen Urlaub. Eines davon, Balmoral, ist nach wie vor in Besitz der Königlichen Familie, kann aber besucht werden. Wenn ihr euch aus Zeitgründen für nur ein Schloss entscheiden könnt, dann besucht unbedingt Craigievar Castle, etwa eine dreiviertel Autostunde westlich von Aberdeen entfernt. Die Turmburg aus dem 16. Jahrhundert ist bestens erhalten und schimmert dank eines speziellen Putzes leicht rosa.
Polarlichter anschauen
Es ist tatsächlich möglich von Aberdeen aus die berühmten Polarlichter zu sehen. Schließlich liegt Schottland ähnlich weit im Norden wie der Süden Norwegens. Allerdings braucht ihr viel Glück und die richtigen Bedingungen. Außerdem solltet ihr euch etwas außerhalb der Stadt begeben, um die Lichtverschmutzung zu verringern.
Reise-Infos
Konnten wir euch Schottlands Nordosten schmackhaft machen? Dann nichts wie auf zum Urlaub nach Aberdeen. Damit bei der Reise nichts schiefgeht, haben wir die wichtigsten Infos kurz zusammengestellt.
Reisezeit und Reisedauer
Schottland ist bekannt für sein Regenwetter und so ist auch Aberdeen sicher nichts für Sonnenanbeter. Selbst im Sommer herrschen selten mehr als 17 Grad und es regnet das ganze Jahr über regelmäßig an durchschnittlich einem von drei Tagen. Wem das nichts ausmacht, ist herzlich willkommen in Aberdeen.
Bleibt ihr in der Stadt Aberdeen, dann reichen durchaus ein bis zwei Tage Aufenthalt, um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt zu erleben. Reist ihr hingegen durch Aberdeenshire, dann braucht ihr natürlich mehr Zeit zum Erkunden.
Reisevorbereitung
Ein Personalausweis reicht zur Einreise nicht aus. Ihr müsst euren Reisepass oder zumindest einen vorläufigen Reisepass mitbringen. Beachtet auch, dass Aberdeen eine Stunde hinter der mitteleuropäischen Zeit liegt. Bezahlt wird in Schottland mit dem Britischen Pfund. In Hotels und Gastronomie könnt ihr zwar fast überall mit einer Kreditkarte zahlen, trotzdem ist es hilfreich, ein paar Pfund bar mitzunehmen. Als Teil Großbritanniens kommt ihr im schottischen Aberdeen sicherlich ganz gut mit normalem Schulenglisch zurecht.
Anreise und Fortbewegung vor Ort
Aberdeen besitzt einen eigenen Flughafen im Norden der Stadt. Von Deutschland aus gelangt ihr per Zwischenstopp dorthin. Meist geht es über Amsterdam, London oder Paris in den schottischen Nordosten. Alternativ könnt ihr nach Glasgow oder Edinburgh fliegen und von dort mit dem Zug, dem Bus oder dem Auto durch die tolle Landschaft nach Aberdeen fahren.
Wer gern mit dem Zug reist, erreicht Aberdeen über Edinburgh mit der East Coast Main Line, die London mit Schottland im Norden verbindet. Mit dem Auto fahrt ihr von Edinburgh aus die A90, die A93 oder die alte A92. Mit etwas Glück seid ihr in weniger als drei Stunden da.
Aberdeen ist mit gut 227.000 Einwohnern keine Riesenmetropole. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Altstadt lassen sich bequem zu Fuß erkunden. Die Stadt besitzt außerdem ein solides Busnetz.
Essen und Spezialitäten
Viele typisch schottische Köstlichkeiten sind auch in Aberdeen bekannt und beliebt, darunter süße Scones, gesundes Porridge oder Black Pudding, die schottische Blutwurst. Wer sich traut, probiert auch mal Haggis – Schafsinnereien, die im Schafsmagen gekocht werden. Fischliebhabern sei fangfrischer Lachs ans Herz gelegt, der in Schottland meist nicht aus Zuchtfarmen stammt.
Wirklich regional typisch für das Aberdeenshire ist Rindfleisch. Das weltbekannte Angus-Rind stammt aus dieser Gegend. Wer in Aberdeen essen geht, sollte also zumindest einmal ein schön marmoriertes Angus-Rindersteak gegessen haben.
Hotels und Unterkünfte
Aberdeen ist eine Großstadt und verfügt daher über eine ausreichende Auswahl an Hotels und Pensionen. Einige der günstigeren Hotels findet ihr wie üblich in der Nähe des Flughafens. Da dieser vergleichsweise nah am eigentlichen Stadtgebiet gelegen ist, ist die tägliche Anreise ins Zentrum nicht so aufwändig wie in Städten mit einem Flughafen weit draußen. Im Innenstadtbereich gibt es erstaunlich viele recht günstige Hotels, selbst in bester Lage. Wer sich etwas mehr Komfort gönnen möchte, findet in Aberdeen aber auch 4-Sterne-Hotels oder vergleichbare Quartiere.