Estland als Reiseziel entdecken


Das Baltikum zählt noch immer als Geheimtipp unter Urlaubern. Wer viel unberührte Natur und Ruhe genießen möchte, ist in den drei Ländern an der Ostsee genau richtig. Estland, der nördlichste der Baltikumstaaten, lockt mit Schnee, Strand und wilder Fauna ebenso wie mit modernen Städten.

Überblick

Estland liegt ganz im Norden des Baltikums und verfügt daher über eine lange Küste an der Ostsee sowie über zwei große vorgelagerte Inseln. Strand- und Meeresfans kommen also voll auf ihre Kosten. Auch der Rest des Landes ist voller wunderschöner Natur, die dank einer sehr vorbildlichen Umweltpolitik bestens bewahrt wird.

Estlands Städte hingegen sind ein multikultureller Schmelztiegel und gelten nicht umsonst als Vorreiter in Sachen Digitalisierung. Vor allem die Hauptstadt Tallinn ist eine junge, moderne und aufstrebende Stadt, die aber auch eine lange Geschichte vorzuweisen hat. Nachtschwärmer und Kulturinteressierte werden sich dort beide wohlfühlen.

Geschichte

Die Region war in den vergangenen rund 800 Jahren immer wieder unter den Einfluss fremder Mächte geraten. Vor allem der deutsche Orden, aber auch die mittelalterliche Hanse hatten hier großen Einfluss. Selbst als Estland 1710 Teil des Russischen Reichs wurde, blieben die autonomen Privilegien der deutschstämmigen Oberschicht erhalten.

Estland Tallinn Altstadt
Auf den Spuren der Geschichte in Tallinn

Im 19. Jahrhundert und dann auch nochmals im 20. Jahrhundert versuchten erst das zaristische Russland und dann die Sowjetunion, Estland zu russifizieren. Trotzdem votierten fast 80% der Esten 1990 für eine Unabhängigkeit von Russland. Seit 1991 ist Estland unabhängig und seit 2004 Mitglied der EU.

Städte und Regionen

Estland ist zwar in etwa so groß wie die Schweiz, hat aber nur rund 1,3 Millionen Einwohner. Folglich gibt es nur eine Handvoll größerer Städte, allen voran die Hauptstadt Tallinn, die ihr auf jeden Fall gesehen haben solltet. Sehenswert sind außerdem die vorgelagerten Moonsund-Inseln.

Tallinn

Tallinn ist die größte, wichtigste und bekannteste Stadt Estlands und zugleich das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Sie gilt als überaus moderne Stadt mit vielen jungen und gebildeten Menschen sowie einem hohen Grad an Digitalisierung. Zugleich ist der mittelalterliche Stadtkern aber auch Weltkulturerbe der UNESCO.

Estland Tallinn Stadtmauer
In Tallinn trifft Geschichte auf Moderne

Ein weithin sichtbares Wahrzeichen Tallinns ist die Olaikirche. Ihr hoher Turm diente schon vor mehr als 500 Jahren als Orientierungspunkt für Seefahrer auf der Ostsee. Weitere Kirchen sowie Schlösser, Kaufmannshäuser der Hanse und Reste der mächtigen Stadtmauer warten in Tallinn darauf, von euch erkundet zu werden.

Tartu

Die zweitgrößte Stadt Estlands ist Tartu und liegt im Inland, ziemlich genau zwischen den beiden größten Seen des Landes. Tartu war einst ebenfalls eine Hansestadt sowie seit fast 400 Jahren eine Universitätsstadt. Auch heute gilt Tartu als weltoffene Studentenstadt und verfügt über ein facettenreiches Kultur- und Nachtleben.

Estland Tartu
Die wunderschöne Altstadt von Tartu

2024 wird Tartu gemeinsam mit dem österreichischen Bad Ischl und dem norwegischen Bodø Europäische Kulturhauptstadt sein. Zu den wichtigsten architektonischen Sehenswürdigkeiten gehören die Universitätsgebäude, die Johanniskirche sowie der Domberg mit den Resten eines mittelalterlichen Doms. In Tartu befinden sich für Kulturinteressierte außerdem das Estnische Nationalmuseum und das Estnische Literaturmuseum.

Narva

Ganz im Nordosten Estlands befindet sich die Hafenstadt Narva, die kaum mehr als 150 Kilometer von der russischen Metropole Sankt Petersburg entfernt liegt. Kaum verwunderlich also, dass sich hier auch das Zentrum der russischsprachigen Minderheit Estlands befindet. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Narvas sind die lutherische Alexanderkirche, die orthodoxe Auferstehungskathedrale sowie das Rathaus im Stile des niederländischen Klassizismus. Ebenfalls beeindruckend ist die Hermannsfeste, einst die östlichste Festung des Deutschen Ordens.

Estland Narva
Die mittelalterliche Hermannsfeste in Narva

Pärnu

Wer im estnischen Sommer einen Badeurlaub an der Ostsee machen möchte, dem sei die Hafenstadt Pärnu ans Herz gelegt. Seit 1838 machten die ruhige See und stetig wachsende Badeanstalten und Kurhotels die Stadt zum wichtigsten Heil- und Seebad in ganz Estland und zu einem beliebten Reiseziel.

Estland Paernu
Der Strand von Pärnu

Die Strände von Pärnu sind jedoch nicht die einzigen Gründe, die für einen Abstecher in „Estlands Sommerhauptstadt“ sprechen. Zahlreiche Kirchen, Villen und andere Bauten locken ebenso Besucher an wie das Denkmal zu Ehren der Ausrufung der estnischen Unabhängigkeit von 1918.

Moonsund-Inseln

Vor der Küste Estlands befinden sich rund 500 Inseln, die Moonsund-Inseln genannt werden. Die größten davon sind Saaremaa und Hiiumaa, die zugleich auch beliebte Ausflugsziele und Ferieninseln sind. Zwei weitere größere Inseln heißen Muhu und Vormsi. Saaremaa ist durch eine beeindruckende Steilküste gekennzeichnet, die mehr als 20 Meter tief hinabfällt. Nahe dem Ort Panga kann man diese Klippe sogar an einem Seil hinunterklettern. Nach Hiiumaa kommt ihr im Winter sogar mit dem Auto über eine Fahrbahn auf der zugefrorenen Ostsee.

Sehenswürdigkeiten

Abgesehen von den bereits erwähnten Sehenswürdigkeiten in den Städten hat Estland noch einige weitere Highlights zu bieten. Besucht Wasserfälle, Höhlen und Meteoritenkrater oder stattet kuriosen Aussichtstürmen und interessanten Freilichtmuseen einen Besuch ab.

Wasserfall von Jägala

Rund 25 Kilometer östlich von Tallinn, nahe dem Örtchen Jõelähtme, befindet sich der Jägala-Wasserfall. Mit einer Fallhöhe von rund acht Metern und einer Breite von etwa 50 Meter ist er der größte natürliche Wasserfall Estlands. Besonders beeindruckend wirkt der Ort im Winter, wenn der Wasserfall teilweise zugefroren ist.

Estland Wasserfalll Jaegala
Der Jägala-Wasserfall ist der größte natürliche Wasserfall in Estland

Meteoritenkrater von Kaali

Auf der Insel Saaremaa, beim Ort Kaali, findet ihr die Krater von neun Meteoriten, die dort vor rund 3.000 Jahren eingeschlagen sind. Damals war ein bis zu 10.000 Tonnen schwerer Eisenmeteorit in Fragmente zerbrochen und hatte die neun Einschlagstellen verursacht, die heute zu besichtigen sind. Im 110 Meter breiten und 22 Meter tiefen Hauptkrater hat sich heute ein See gebildet.

Helme Höhlen

Im Süden Estlands, nahe der Grenze zu Lettland beim Ort Helme gibt es einige interessante Höhlen zu erkunden. Die sogenannten Helme Höhlen sind allerdings nicht natürlichen Ursprungs, sondern wurden einst als Verstecke in den weichen Sandstein gehauen. Angeblich sollen sich heidnische Esten hier vor heranrückenden Kreuzfahrern versteckt haben. Ihr könnt die Reste des Höhlensystems heute noch erkunden, allerdings in manchen Teilen nur kriechend.

Pesapuu Aussichtsturm

Estland ist ein recht flaches Land, weswegen einige Aussichtstürme errichtet wurden, um die Landschaft genießen zu können. Der wohl skurrilste davon ist der Pesapuu beim Dorf Rõuge ganz im Südosten. Dieser ist nämlich optisch einem Storchennest nachempfunden und eignet sich als Fotomotiv ebenso gut wie sich die Aussicht von seinen Plattformen aus lohnt.

Freilichtmuseum Viimsi

In Viimsi, einem Vorort von Tallinn, befindet sich ein empfehlenswertes Freilichtmuseum. In diesem wird der Alltag auf einem estnischen Bauernhof sowie einem Fischerdorf aus dem 19. Jahrhundert erlebbar gemacht. Für nur ein paar wenige Euro Eintritt erfahren Groß und Klein, was es mit dem Leben auf dem Land vor mehr als 100 Jahren auf sich hatte.

Aktivitäten

Viele der typischen Aktivitäten in Estland haben mit der Natur zu tun. Kein Wunder in einem Land mit so vielen Wäldern, Seen, schöner Küste und faszinierenden Mooren. Erkundet die Landschaften zu Fuß oder mit dem Rad und legt euch auf die Lauer, um Tiere zu beobachten. Im Anschluss geht es dann in eine typisch estnische Sauna.

Estland Nationalpark Moor
Holzplanken bei der Wanderung durch Moorlandschaften

Durch einen Nationalpark wandern

Ähnlich wie die anderen Baltischen Staaten ist auch Estlands Landschaft stark durch Wälder geprägt. Wer ungestört durch die Kiefern und Birken des Landes streifen möchte, sollte eine Wanderung in einem der sechs Nationalparks oder zahlreichen Naturreservate machen. Esten sind bekannt für ihre gesunde Einstellung zur Natur und kaum irgendwo anders kann man so entspannen wie in einem estnischen Wald. Estland verfügt außerdem über ein gut ausgebautes Netz an Wanderwegen und ist sowohl an den Baltischen Küstenwanderweg als auch den Baltischen Waldwanderweg angeschlossen. Vorsicht allerdings beim Wandern in den Hochmooren. Abseits der Holzplanken sollte man nur mit Führer und Moorschuhen gehen.

In der Ostsee baden oder durchwandern

Wie schon erwähnt könnt ihr in Estland auch in der Ostsee baden – vorrangig im Sommer und eher im Südwesten des Landes. Ihr könnt die Ostsee aber auch durchwandern. Klingt verrückt, ist aber auf dem Käkisilma-Vilsandi Wanderweg der Insel Saaremaa tatsächlich möglich. Entlang markierter Steine führt ein fünf Kilometer langer Pfad von Inselchen zu Inselchen. Das Wasser steigt bei der Wanderung nie höher als bis zum Bauchnabel.

Estland Saaremaa
Saaremaa ist die größte Insel Estlands

Mit dem Hundeschlitten fahren

In Estland kann ein recht raues Klima herrschen, vor allem im Winter. Doch die Esten haben aus der Not eine Tugend gemacht und bringen diese gern auch Urlaubern nahe. Im Winter könnt ihr hier mit Schneeschuhen laufen, Skifahren oder euch in einen Schlitten setzen, der von Schlittenhunden durch den Schnee gezogen wird – ein tolles Erlebnis für Besucher jeden Alters.

In die Sauna gehen

Sowohl geographisch als auch sprachlich und kulturell gibt es eine große Nähe zwischen Estland und Finnland – schließlich ist Helsinki nur eine kleine Fährfahrt von Tallinn entfernt. Eine der schönsten gemeinsamen Traditionen ist die Sauna. Die ist nämlich in Estland genauso wichtig wie in Finnland. Saunen gibt es überall und zu den herkömmlichen Heimsaunas gesellen sich professionelle Spa-Saunen, fahrende und schwimmende Saunen sowie Iglusaunas und – vor allem im Süden – die traditionellen Rauchsaunen, in denen nicht nur geschwitzt, sondern auch Fleisch geräuchert wird.

Bären beobachten

Während hierzulande selbst einzelne verirrte Bären schnell für Panik sorgen, sehen die Esten die braunen Riesen sehr viel gelassener. Kein Wunder, gibt es doch rund 900 Bären im Land, vor allem im Nordosten. Von einem Wildtierversteck aus könnt ihr die Waldriesen in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten. In lauen Sommerabenden habt ihr dabei die besten Chancen auf eine Sichtung.

Estland Braunbaer
In Estland leben zahlreiche Bären

Reise-Infos

Eine Reise nach Estland ist leicht vorbereitet und durchgeführt. Das EU-Land ist nicht weit weg und ihr braucht kaum besondere Vorbereitungen. Wir haben euch einige hilfreiche Tipps zusammengestellt, damit euer Trip ins Baltikum auf jeden Fall ein Erfolg wird.

Reisezeit

Das Klima in Estland ist kühl-gemäßigt, zeichnet sich aber durch recht lange und nasskalte Winter aus. Die Sommer sind hingegen relativ kurz und auch nicht so heiß wie in Mitteleuropa. Dafür sind Frühling und Herbst mild und vor allem niederschlagsarm. Besonders zur Obstblüte im späten Frühjahr macht die estnische Landschaft richtig Freude.

Reisedauer

Vor allem Tallinn bietet sich durchaus als Ziel für ein langes Wochenende an. Wer allerdings ganz Estland erkunden möchte, sollte einige Zeit mehr mitbringen. Plant mindestens sieben bis zehn Tage ein, wenn ihr die schönsten Städte besuchen und bei Wanderungen die Natur kennenlernen möchtet.

Reisevorbereitung

Estland ist Mitglied der Europäischen Union sowie der Euro-Zone. Ihr braucht also weder euer Geld in eine fremde Währung umzutauschen noch einen Reisepass mit euch führen. Allerdings müsst ihr euch auf Verlangen der Behörden in Estland jederzeit ausweisen können. Versäumt ihr es, euren Ausweis mitzuführen, drohen hohe Bußgelder. Die Uhren in Estland gehen übrigens etwas anders, denn hier herrscht Osteuropäische Zeit, also +1 Stunde zu unserer Mitteleuropäischen Zeit.

Anreise

Wenn ihr mit dem Flugzeug anreisen wollt, dann landet ihr auf dem internationalen Flughafen von Tallinn. Dorthin gibt es einige Direktverbindungen aus Deutschland und Österreich. Alternativ fliegt ihr über Helsinki oder die Hauptstädte der anderen beiden baltischen Staaten, also Riga und Vilnius.

Mit dem Auto lässt sich eine Fahrt nach Estland bestens mit einer Tour durch das ganze Baltikum sowie Polen verbinden. Allerdings seid ihr von Berlin aus gut und gerne 17 Stunden unterwegs. Alternativ gibt es sowohl Zug- als auch Busverbindungen über Warschau.

Fortbewegung vor Ort

Innerhalb von Estland kommt ihr tatsächlich am besten mit dem Mietwagen voran – außer, ihr schwingt euch aufs Rad. Estland unterstützt den Radverkehr sehr und richtet immer mehr Radwege ein, auch in ländlichen Regionen. Das Bus- und Bahnnetz des Landes ist leider nicht so gut ausgebaut.

Sprache & Verständigung

Die offizielle Landessprache in Estland ist Estnisch, eine komplexe finno-ugrische Sprache, die schwierig zu erlernen ist. Das ist aber auch nicht schlimm, denn im jungen und modernen Estland spricht so gut wie jeder Englisch und so kommt ihr bestens zurecht.

Essen & Spezialitäten

Die estnische Küche ist merklich von der skandinavischen und russischen, aber auch der deutschen Küche beeinflusst. Regionale Gemüsesorten, Schweinefleisch, Fisch und Waldfrüchte sowie sehr viel Milch sind die Bestandteile der meisten Gerichte. Gewürzt wird wenig. Einige typische Speisen sind die Folgenden.

  • Verivorst mit Mulgikapsad – Blutwurst mit Sauerkraut
  • Fangfrischer Salzhering aus der Ostsee mit saurer Sahne und Zwiebeln
  • Brei aus Kamamehl – eine Mehlmischung aus Getreiden und Hülsenfrüchten
  • Kohuke – mit Quark und Aromen gefüllte Schokolade
Estland Kohuke
Kohuke ist mit Quark und Aromen gefüllte Schokolade

Ähnlich wie ihre Nachbarn, die Finnen und die Russen, trinken auch die Esten gern mal ein Bier oder einen Wodka. Ein weiteres traditionelles alkoholisches Getränk ist der Vana Tallinn, ein Likör aus Rum, Zimt, Vanille und Zitrusölen. Er wird pur getrunken oder auch gern in den Kaffee gegossen.

Hotels & Unterkünfte

In Tallinn und den anderen großen Städten haben sich in den letzten Jahrzehnten etliche Hotels etabliert. Gleiches gilt für die touristisch stark frequentierten Küstenabschnitte sowie die Inseln. Wer es robuster mag, sucht auf dem Land nach rustikalen Landhäusern der ehemaligen sowjetischen Kolchosen, die zu Unterkünften umgebaut wurden.

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